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Özlem Demirel

Mitglied im Europäischen Parlament für DIE LINKE: Die strukturelle Benachteiligung von Frauen muss zum Gegenstand politischer, sozialer und ökonomischer Kämpfe gemacht werden.

 

„Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.“

Clara Zetkins

 

  • Welche Bedeutung hat Feminismus für dich?

Die strukturelle Benachteiligung von Frauen muss zum Gegenstand politischer, sozialer und ökonomischer Kämpfe gemacht werden. Feminismus heißt zu Recht „konsequent für Verhältnisse einzutreten, die  Diskriminierung und Geringschätzung, Unterdrückung, Missachtung, Verächtlichung, Verletzung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Geschlechtsidentität ausschließen.“ (Feministisches Manifest). Eine Gesellschaft, die sich auf ökonomische Ungleichheit stützt, reproduziert auch immer die Ungleichheiten zwischen den  Geschlechtern. Also eine Klassengesellschaft, die eine geteilte Gesellschaft ist, stützt sich auch auf patriarchale Herrschaftsinstrumente und Machtverhältnisse. 

Der Kampf um eine soziale, friedliche, solidarische Gesellschaft ist für mich daher gleichbedeutend mit dem Kampf für die Rechte von Frauen in allen Bereichen des Lebens. Oder in den Worten Clara Zetkins: „Die  Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.“ Damit gehört für mich feministische Politik mit unserer gesamten Programmatik für eine soziale und solidarische Gesellschaft zusammen. Die Emanzipation der Frau ist in erster Linie ihre Emanzipation von sozialen, politischen und ökonomischen Unterdrückungsverhältnissen. Trotz des Gleichstellungsgebots in der Verfassung bestehen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in allen Teilbereichen der deutschen Gesellschaft fort. Insbesondere die Beschäftigungssituation von Frauen verdeutlicht, wie die neoliberale Umstrukturierung des Arbeitsmarktes durch Ausweitung von befristeten, nicht -gesicherten und niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen (Mini¬Jobs, Teilzeit etc.) die Präkarisierung von Frauen maßgeblich vorantreibt.

Deshalb gehören die Forderungen nach „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“, „gleiche Bildungschancen für alle“ und „das Recht auf Ausbildung und Übernahme“ für mich zu den auch für die Frauenpoltische Belange wichtigen Forderungen. Eine durchsetzungsstarke sozialistische Politik geht daher nur mit organisierten Frauen und muss unausweichlich ihre Belange thematisieren.

Mit welchen Argumenten würdest du für Feminismus werben?

Es ist leicht dafür zu werben, dass alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Geburtsort oder Hautfarbe die gleichen Rechte haben, oder nicht?
Schwieriger wird es natürlich an den Stellen, wo andere Privilegien abgeben müssen, ihre strukturelle Bevorteilung beendet wird.
Aber auch hier gilt es doch für uns, die wir für eine Gesellschaft frei von Unterdrückung und Ausbeutung einstehen, gemeinsam diese (patriarchalen) Strukturen zu kritisieren und zu verändern. Und letztlich ist es so wie Clara Zetkin schon sagte- mit Frauen, die „den Reichtum ihrer Gefühle in einem Fingerhut oder in einem Kochtopf" gefangen halten, lässt sich die Welt nicht verändern.

  • Wie integrierst du feministische Anliegen in deinen Alltag und in welcher Weise bringst du Feminismus in deine politischen Themen ein?

Sowohl im Privaten, als auch in meiner Arbeit als Europaabgeordnete ist der Kampf gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und strukturelle Benachteiligung und für Gleichstellung  immer präsent. Als Mutter von zwei Töchtern versuche ich natürlich meinen Töchtern vieles mitzugeben, damit sie starke Frauen werden und in meiner Arbeit denke ich die Perspektive von Frauen mit- egal ob es die Situation von Frauen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind, oder die besondere Situation von Frauen auf der Flucht.

  • Welche Frage bewegt dich, wenn es um das Thema Feminismus geht?

Mich bewegt tatsächlich der gesellschaftliche Roll-back sehr. Als Abgeordnete des Europaparlaments verfolge ich diese Entwicklung in vielen Mitgliedstaaten und nehme mit großer Sorge wahr, dass erzkonservative Positionen bis weit in die sogenannten bürgerlichen Parteien hinein vertreten werden. Und dies betrifft natürlich auch die von der Frauenbewegung erkämpften Rechte von Frauen. Ich sehe auf der anderen Seite natürlich auch, dass wie in Polen zum Beispiel der Widerstand gegen diesen Roll-back sehr groß ist und auch diese Kraft der Bewegung bewegt mich.

  • In welcher Weise beeinflussen nach Deiner Einschätzung die Entscheidungen, die während der Pandemie getroffen worden sind, die Situation von Frauen?

In vielen Bereichen hat die COVID-19 Pandemie strukturelle Schieflagen an die Oberfläche gebracht, auf die wir als LINKE immer schon hingewiesen haben - sei es im Bereich der Gesundheitsversorgung und Pflege, der Kinderbetreuung,  im Bildungssystem oder auch dem Ausbau von Hilfsstrukturen für von Gewalt betroffenen Frauen. Und natürlich sind es Frauen, die nun die größte Last in der Krise tragen. Sie sind die, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen an vorderster Front stehen, egal ob in der Kita, im Krankenhaus, Altersheim, an der Kasse oder in der Reinigung, sie sind die, die durch ihre Teilzeit- und Minijobs als erste ihre Arbeitsstellen verlieren und sie sind die, die nun mal mehr die unbezahlte Sorgearbeit verrichten müssen.

Der Lockdown oder auch Teillockdown hat die Situation von Frauen, die physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind zudem massiv verschärft. Dies belegt u.a. der aktuell im EU-Parlament beschossene Bericht zu „geschlechtsspezifischen Sichtweisen in der COVID-19-Krise und der Zeit danach“. Die Lockdown-Maßnahmen erschweren den Frauen, Hilfe zu suchen und der eingeschränkte Zugang zu Frauenhäusern, Hotlines und Unterstützungsstrukturen verstärken eine quasi „Schatten-Pandemie“.

All unsere Forderungen bereits vor der Krise bleiben also leider aktueller denn je!

 

Liebe Özlem die BAG LiSA dankt dir herzlich für Deinen Beitrag