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Keine Parität im Thüringer Landtag

Helene Füllgraf (BAG LISA) und Josephine Taucher

Bis ins Jahr 1983 war der Anteil Frauen im Bundestag mit weniger als 10% entgegen des Grundgesetzanspruchs aus Artikel 3 Absatz 2, der eine Benachteiligung nach Geschlecht untersagt, vernachlässigbar niedrig. Also ein klarer Verstoß gegen dieses. GG Artikel 3 Absatz 2 fordert außerdem: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Erst ab dem 11ten Bundestag 1984 hat der Anteil an Frauen die 10 % Marke überschritten und ist stetig angestiegen. Und dies dank paritätisch besetzter Listen. Mit dem Einzug der AfD ist dieser Trend hin zur gleichberechtigten Beteiligung von Frauen im Bundestag rückläufig. Stimmen mehren sich, dass es wohl eines Paritätsgesetztes bedarf, damit Frauen entsprechend politisch vertreten sind.

Die Länderparlamente weichen verschieden stark von einer gleichberechtigten Besetzung ab. Nach Brandenburg hatte nun Thüringen, welches bisher eher einen Lichtblick im Punkt Frauenvertretung im Landesparlament darstellte, einen Vorstoß zur verpflichtenden Parität auf den Weg gebracht diesem Missstand endlich entgegenzuwirken. Das Ergebnis der abschlägigen Entscheidung ist nachzulesen unter dem Aktenzeichen VerfGH 2/20 Thüringen. Das Entscheidungsgremium selbst ist, besetzt mit 7 Männern und 2 Frauen, weit entfernt von gleichberechtigter Besetzung.

Mit dem Urteil reiht sich das Entscheidungsgremium in die Tradition ein, die nach Benachteiligung schreit, wenn männliche Privilegien in Bedrängnis geraten.

Auch in Bayern ist eine gesetzliche Regelung überfällig mit gerade mal 26,8% Frauen im Landesparlament. Hier ist zumindest eine Einflussnahme auf die Geschlechterverteilung aufgrund des Wahlgesetztes möglich, was auf Bundesebene eben nicht vorhanden ist.

Deshalb hier eine Stimme aus Bayern zur Ablehnung des Paritätsgesetztes.

„Ein Schritt für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Parlament ist gescheitert. Das ist eine Niederlage für uns. Aber: wir lassen nicht locker“. So kommentierte @Susanne Henning-Wellsow, Fraktions- und Landesvorsitzende von @ DIE LINKE Thüringen die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofes das am 1.1.2020 in Kraft getretene Paritätsgesetz für nichtig zu erklären.

Was hatte dieses gefordert? Es sollte dem Landeswahlgesetz folgender Absatz hinzugefügt werden: "(5) Die Landesliste ist abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei der erste Platz mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden kann". Außerdem galt "Wahlvorschläge, die nicht den Anforderungen des § 29 Abs. 5 entsprechen, werden zurückgewiesen".

Wer hatte dagegen geklagt?

Die AfD. Applaus gab es ebenfalls aus Reihen der CDU und FDP. Was haben alle diese Parteien gemeinsam? Sie erfüllen nicht das Kriterium, das die Quotierung fordern würde: So kommt die AfD auf 13,6 % Frauen* im Thüringer Landtag, die CDU sogar nur auf 9,5 % (#Volkspartei) (bei letzterer hatte wohl die hohe Zahl an Direktmandaten dazu geführt, wobei die Frage bleibt, warum diese vor allem von Männern* besetzt wurden)

Hauptargumentation der Klage war (pointiert zusammengefasst), dass es  nicht Aufgabe der Politik sei die Verhältnisse in der Gesellschaft widerzuspiegeln und eine volksvertretende Person ja für alle Menschen sprechen solle. Außerdem könne man eine Partei (z.B. der AfD mit 17 % Frauen*anteil bundesweit) nicht zwingen auch Frauen* repräsentieren zu müssen. Außerdem sei es eine Bevorzugung (!) von Frauen*, wenn diese stärker in Parlamenten vertreten seien als in den Parteien. Letztendlich könne es ja sogar dazu führen, dass der Anteil an Frauen* (je nach möglichem Wahlergebnis) reduziert werde und nicht erhöht (theoretisch richtig, aber in der Praxis aktuell haltlos).

Letztendlich bleibt damit die „freiwillige Selbstverpflichtung“ (sehr gebeutelte Phrase) der Parteien auf Besserung. Meistens hört man darauf die These, dass Politiker*innen ja nach Qualifikation ausgewählt werden müssten, nicht nach Geschlecht. „Wenn man dieser These folgen würde, gäbe es bei der Thüringer CDU auf 9 qualifizierte Männer* nur 1 qualifizierte Frau*. Das ist natürlich Blödsinn!“ sagt Josephine Taucher von der AG Frauen des KV Erlangen/Erlangen Höchstadt, die ebenfalls eine der Sprecherinnen der bayernweiten @AG Lisa Bayern ist. „Dahinter stecken sehr eingefahrene Strukturen, bei denen Männer* anderen Männern* in Positionen verhelfen“. Auf die Frage warum nicht mehr Frauen* Parteimitglied seien antwortet sie „Man muss bedenken, dass man hier nicht von den gleichen Anfangsbedingungen ausgehen darf: Frauen* tragen den Großteil der bezahlten und unbezahlten Carearbeit – Zeit, die für Dinge wie das Engagement in Gremien fehlt“. Zudem werden die wenigen Frauen* häufig mit Aufgaben überhäuft und nicht selten die Zielscheibe von sexualisierter Kritik („Die Alte müsste man mal wieder…“). Es braucht letztendlich also mehr als Quoten, nämlich ein Umdenken, wie man Gesellschaft und Teilhabe gestalten möchte.

Josephine Taucher